Die Schusswaffe im Personenschutz: Statussymbol oder Ultima Ratio?

Veröffentlicht am 19. November 2024 um 11:23

Titel: Die Schusswaffe im Personenschutz: Statussymbol oder Ultima Ratio?

 

In der deutschen Personenschutzszene herrscht ein interessanter – und durchaus fragwürdiger – Trend: Die Schusswaffe gilt vielerorts als Statussymbol. Wer sie führt, erhebt sich oftmals über andere, fast so, als ob das Führen einer Waffe einen zu einer höheren Liga an Sicherheitsprofis katapultiert. Doch ist diese Denkweise tatsächlich berechtigt? Oder verbirgt sich dahinter vielmehr ein Trugschluss, gar ein Spiel des Egos?

 

Wer mit einem gesunden Verständnis der Verantwortung an den Beruf des Personenschützers herangeht, der weiß: Die Schusswaffe ist nichts, worauf man stolz sein sollte. Sie ist ein Ultima Ratio – das letzte Mittel, das nur dann eingesetzt wird, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind. Und hier liegt der Kern des Problems: Wer sich lediglich auf die Schusswaffe verlässt, übersieht oder ignoriert die Vielzahl an anderen, nicht-tödlichen Mitteln, die im Ernstfall eingesetzt werden könnten. Eskalationsstufen gibt es viele, und das Repertoire an Einsatzmitteln, das einem Personenschützer zur Verfügung stehen sollte, ist weit mehr als nur die Pistole im Holster.

 

Warum das Führen einer Schusswaffe kein Prestigeobjekt sein sollte

Stellen wir uns das Szenario vor: Man begegnet einem Personenschützer, der sich stolz die Schusswaffe umschnallt und diese zur Schau stellt, ohne weitere Alternativen in der Ausrüstung. Das ist ein Fehler, und zwar ein schwerwiegender. Denn was passiert, wenn man nur die Schusswaffe als Werkzeug zur Verfügung hat? Es ist fast wie sprichwörtlich "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen." Eine Eskalation, die vielleicht nur eine deeskalierende Geste, Worte oder ein einfaches nicht-tödliches Einsatzmittel erfordert hätte, endet im Worst Case schnell in einem Szenario, bei dem unverhältnismäßige Gewalt angewendet wird. Und das nur, weil jemand meint, sich mit der Schusswaffe als „Elite“ profilieren zu können.

 

Was bei dieser Denkweise oft vergessen wird, ist der Aspekt der Verhältnismäßigkeit. Die Wahl des richtigen Einsatzmittels orientiert sich an der Lagebeurteilung, an der Einschätzung der konkreten Situation und an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wenn ich also als professioneller Personenschützer agiere, dann greife ich erst zu einem tödlichen Einsatzmittel, wenn die Situation keinerlei andere Option mehr zulässt – und selbst dann ist eine sorgsame Beurteilung gefragt.

 

Statussymbol oder Selbstschutz? Die Macht der alternativen Einsatzmittel

Ein gut ausgebildeter Personenschützer weiß, dass sein Arsenal nicht bei der Schusswaffe beginnt und schon gar nicht dort endet. Ich selbst schaue in meine Ausrüstung und sehe nicht nur die eine, finale Option – ich habe fünf oder sechs verschiedene Mittel zur Auswahl, die mir helfen, die Eskalation so sanft wie möglich zu gestalten. Ein Teleskopschlagstock, Pfefferspray, Handschellen, selbst deeskalierende Worte können oft Wunder wirken und die Lage entschärfen, bevor sie eskaliert. Jedes dieser Mittel kann auf einer anderen Eskalationsstufe zum Einsatz kommen und ist deshalb genauso wertvoll wie die Waffe selbst.

 

Die Frage ist also, warum viele Personenschützer das Gefühl haben, nur mit der Schusswaffe „angemessen“ aufgestellt zu sein? Die Antwort hat oft weniger mit dem Schutz der Person, sondern mehr mit dem eigenen Ego zu tun. Wer sein Ego über das Wohl seines Schützlings stellt, wird blind für den breiten Einsatzmittelkatalog, den der Job erfordert. Es scheint so, als müsse das Führen der Waffe das Bedürfnis befriedigen, sich als etwas Besonderes, ja beinahe „Unberührbares“ darzustellen.

 

Schusswaffenführung als Ego-Spiel?

Es ist also kein Geheimnis, dass die Schusswaffe oft als eine Art „Abzeichen“ missverstanden wird. Doch dieser Stolz auf die Waffe ist unangebracht, um nicht zu sagen gefährlich. Sie sollte nicht als Werkzeug des Egos, sondern als Werkzeug des absoluten Ernstfalls gesehen werden. Die Wahrheit ist: Eine Schusswaffe im Auftrag zu führen, sollte keine Trophäe sein, sondern eine der größten Verantwortungen, die ein Personenschützer auf sich nehmen kann.

 

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